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... hier erscheinen in unregelmässiger Folge Heiteres, Albernes, aber auch bissige Satire















2012/08/30

Der Gast des Kornwucherers - Sage

Es war einmal im Mecklenburger Land ein alter, geiziger Pächter, der häufte Ernten auf Ernten, und verkaufte nur, wenn das Korn teuer wurde. Für billigen Preis verkaufte er nicht einen Scheffel, selbst wenn Verwandte ihn fußfällig darum baten. Er hatte Kisten und Kasten voller Geld, aber tagtäglich versuchte er mehr zusammenzuscharren; und durch den unerhörten Kornwucher war er steinreich geworden. Sprach der Pfarrer ihn an, wann er sich einmal in der Kirche sehen lasse, sagte er: "Ich diene meinem Gott im Freien!" Aber sein Gott war der Mammon.

Er blickte über die Saat und rechnete, was die Äcker heuer einbringen würden, und ärgerte sich, dass auch auf den Feldern der Nachbarn Getreide stand. So ging er auch am Pfingsttage draußen herum, sah, wie alles gedieh, aber er fluchte, weil er in den Speichern Platz schaffen mußte für die reiche Ernte. Allenthalben gedieh das Korn auf dem Halm, und es war ein wohlfeiles Jahr.

Da kam eine schwarze Kutsche dahergefahren, und ein schwarzer Kutscher lenkte die schwarzen Rosse. Die Kutsche hielt bei dem Wucherer, und es stieg ein Mann heraus, der hatte einen langen weiten Mantel an, der seine Gestalt ganz einhüllte. Der Fremde bot spöttisch einen guten Tag und sagte: "Gute Aussicht auf gesegnete Ernte, nicht wahr?"

Der Pächter murrte: "So halb und halb, Pfingsten kann man den Erntemond noch nicht loben. Vorrat ist der Herr!"

"Ihr habt wohl noch Vorrat?" fragte der Herr.

"Etwas, nicht allzu viel", war die Antwort.

Der Fremde fragte nach dem Preise und sagte auf die Antwort des Pächters: "Topp, ich kaufe!"

Dem Pächter lachte das Herz im Leibe, doch er schalt sich selbst insgeheim, dass er nicht noch mehr verlangt hatte. Er lud den Fremden ein, mit ihm zu frühstücken.

Der Fremde ging mit. Als beide den Hof betraten, schrie das Federvieh wild durcheinander und flatterte davon, und der Hund zog winselnd den Schwanz ein und verkroch sich in seiner Hütte. Die Frau war in der Kirche, doch der Pächter ließ die Magd tüchtig aufschüsseln. Der Fremde scherzte mit dem Mädchen, doch unversehens fiel ein Messer vom Tisch, und als die Magd sich bückte, sieht sie des Fremden Füße, die vorher der Mantel verborgen hatte. Er hatte aber einen einen Pferdefuß.

Die Magd eilte zur Tür hinaus und stieß auf die heimkehrende Hausfrau. Eilig erzählte sie, was sie gesehn, und die Frau befahl ihr, den Pfarrer zu holen. Dieser kam nach dem Gottesdienst gerade die Straße herunter, im vollen Ornat, mit der Bibel unterm Arm.

Der Fremde schrak zusammen, rief aber frech: "Guten Tag, Pfaffe! Hast du das Messer noch, das du als Bube deinem Kameraden gestohlen?" Der Pfarrer machte wortlos kehrt und suchte das Weite.
Da fuhr der Pfarrer des Nachbardorfes mit dem Wagen vorbei, und die Frau rief auch ihn herein. Er trat auch, die Bibel unterm Arm, in die Stube. Da zitterte und bebte der Fremde, denn diesem konnte er nichts vorwerfen. Der Geistliche tat auch gleich seine Pflicht, betete und endlich öffnete er das Fenster und rief: "Fahr hinaus, unsauberer Geist!"

Da musste der Böse unter Donnergeprassel aus dem Fenster fahre, und zur gleichen Zeit donnerte und blitzte es über den Speichern, und ein Rauch stieg auf, als würden sie brennen. Da lief der Wucherer voller Sorgezu den Speichern, da war kein Feuer, aber alles Korn war fort, die Ernten von drei Jahren.

Da ging er in sich und wurde ein gerechter Mann und verkaufte nur noch um gerechten Preis.

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