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... hier erscheinen in unregelmässiger Folge Heiteres, Albernes, aber auch bissige Satire















2012/03/02

Kommunalverwaltung war 1925 genauso sparsam wie heute

Stralsunder Seebadeanstalt 1927






Zeitungsbeitrag aus "Der Vorpommer" von Sonntag, 24. Mai 1925

Wannseebad Berlin - Seebad Stralsund Wer die letzten Berliner Zeitungen fleißig studiert hat, der bleibt immer und immer wieder bei einem Artikel hängen - Ausbau des Wannseebades Berlin. Kurkapelle, Rundfunk und Hundezwinger, Wäscheausgabe, Schwimmlehrer und 18 Wasserleitungen für Trinkwasser, Aufbewahrungsort für Fahr- und Motorräder. Belehrungsstunde und ein halbes Dutzend Bademeister usw. usw. - Alles durch den Magistrat und auf Kosten des Magistrats, alles für ein Freibad, wo bekanntlich wenig Einwohner sind!!!

Und Stralsund?? Oho - wir haben auch etwas! Rundfunk und Hundezwinger wären sehr schön, sind aber zu entbehren, Kurkapelle kann man auch noch verschmerzen! Nun aber, was wir haben? Eine Wäscheausgabe, aber nicht etwa vom Magistrat angelegt, sondern vom Pächter! Auch ein Schwimmlehrer ist vorhanden, aber nicht etwa vom Magistrat verpflichtet worden, sondern vom Pächter! Auch ein Aufbewahrungsort für die Fahrräder ist angelegt, aber natürlich durch den Pächter!

Nun das, was wir nicht haben, aber noch bekommmen. Ein Sonnenbad, aber nicht etwa durch den Magistrat, nein. Die Liegestühle und alles auf Kosten des Pächters. Auch ein Sport- und Spielplatz für die Jugend wird angelegt! Aber Reck, Barren, Sprunggestelle liefert nicht etwa der Magistrat, nein der Pächter schafft alles auf seine Kosten an! Eine Küche ist bereits eingebaut worden, aber selbstverständlich vom Pächter! Das alles haben oder bekommen wir! Nie zu vergessen: alles durch den Pächter!


Nun aber, was haben wir nicht, obwohl es unbedingt vorhanden sein müßte? In erster Linie fehlt uns eine Wasserleitung! Bei Unglücksfällen, welcher Art sie auch sein mögen, soll der Pächter die erste Hilfe erbringen, den ersten Notverband anlegen. Woher er aber das Wasser nimmt, um Wunden vorschriftsmäßig auszuwaschen, ist dem Magistrat gleichgültig! Oder verlangt die Stadtverwaltung etwa, daß der Pächter auch noch die Wasserleitung auf eigene Kosten anlegt??


Wir Stralsunder Bürger wissen, was der Pächter alles getan hat und noch tut! Und der Magistrat? Oho, der weiß es auch! Der verlangt aus lauter Dank mehr Pacht!!! Ein Antrag des Pächters auf Verlängerung der Pachtzeit ist abgelehnt!!! Wie soll der arme Kerl sein Geld, das er zum Wohle der ganzen Stadt in dies Unternehmen steckt, wiederbekommen, wenn ihm die Verlängerung der Pachtzeit versagt wird und der Pachtzins immer höher geschraubt?? Hat sich der hohe Magistrat das schon einmal durch den Kopf gehen lassen? Wir Stralsunder Bürger wissen, was wir dem Pächter schuldig sind, und werden daher auch geschlossen für ihn und unser Seebad einstehen!

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