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... hier erscheinen in unregelmässiger Folge Heiteres, Albernes, aber auch bissige Satire















2011/11/22

Guttenberg, der Widergänger

Der Peter war ein Renommist.
Ihr wisst vielleicht nicht, was das ist?
Ein Renommist, das ist ein Mann,
der viel verspricht und wenig kann.
(Aus "Die Sache mit den Klößen" von Erich Kästner)

Welch ein Segen schien es zu sein, als Karl-Bramarbas zu Guttenberg abdankte und (sich) kurze Zeit später nach Amerika verzog. Endlich war seine Allgegenwart in den Medien, meist begleitet von irrwitzigen Attributen wie "gutaussehend", "beliebtester Politiker" oder gar "Politstar", Geschichte. Gerade in der Schlußphase seines politischen Wirkens war es unerträglich geworden, wie er von den Seinen, allen voran die Kanzlerin und sein Parteichef, als ausgezeichneter Verteidigungsminister, wenn nicht gar als "fähig" bezeichnet wurde - obwohl nun wirklich deutlich seine Unfähigkeit zutage getreten war (die er bis dato relativ geschickt zu kaschieren gewusst hatte, indem er immer genau die Leute schasste, die sie hätten ans Licht bringen können - Stichwort Kundus-Affäre).

Doch schon Ende September wurde klar, dass der Totgeglaubte weiterhin durch die deutschen Medien geistern würde, als es hieß, er sei in einen renommierten US-Thinkthank berufen worden (am 29.09.2011 hier im Blog kurz kommentiert); und zwar ausgerechnet unter dem Label "distingued statesman". Noch bedrohlicher wurde es am letzten Samstag, als unbelehrbare deutsche Medien einen Auftritt des Ex-In-Spe-Kanzlerkandidaten in Canada bejubelten. Der nun im amerikanisierten Look auftretende Poseur war zu einer Diskussionsrunde auf einer Sicherheitskonferenz in Halifax geladen. In etlichen deutschen Medien wird der Forumsleiter zitiert: „Es geht um seine Erfahrung, deshalb wollen ihn die Leute hören“. Will man uns einen Grizzly aufbinden? Ein paar Monate Wirtschaftsminister, etwas länger Kriegsminister - in beiden Jobs nichts gebacken bekommen ausser die Freundschaft von BILD zu erringen - und nun wird er angeblich als Experte gehandelt für Sicherheits- und Europapolitik? Von einem Comeback wird gar geschwafelt.

Nun, das Interesse vor Ort muß sich in Grenzen gehalten haben, denn außer seinem Namen in der Rednerliste konnte ich in amerikanischen und kanadischen Medien keine Erwähnung finden. Dabei entsprechen doch seine Fachkenntnisse in Täuschen, Blenden und Selbstinszenierungs-Show abziehen perfekt dem amerikanischen Usus in Politik und Wirtschaft. Die Lokalität seines Exils hat er mit Sicherheit nach seinen Neigungen gewählt.

In seinen (?) Ausführungen soll er scharfe Kritik an den europäischen Politikern geübt haben - zu denen er  bis vor wenigen Monaten selbst gehörte. Oder ist erst jetzt hier alles in geistiger Impotenz versunken, seitdem der Ex-Doktor nicht mehr nach dem Rechten sieht? Zweifellos sind einige seiner Bemerkungen nicht ganz abwegig. In D wird nur noch Tagespolitik gewurschtelt und in Europa läuft alles darauf hinaus, als ultimative Lösung aller Probleme einen Universalzahlmeister BRD zu istallieren. Jedoch ist es unwürdiger, miserabler Stil, jetzt aus der Ferne über die Leute herzuziehen, die ihn weit über Gebühr und Verdienst gepuscht haben. Und er irrt, falls er meint, sich durch seine intellektuellen Gaben von der Masse der Politiker zu unterscheiden. Wieder einmal hat er nur schwadroniert, aber keine Lösungen angeboten. Doc Gutti war mit dem Ministeramt völlig überfordert und ist letztlich an seiner eigenen Persönlichkeit gescheitert. Man sollte auch die Frage aufwerfen, warum er die US-amerikanische Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht für kritikwürdig hält. ("Bankrott in Washington" titelt die Onlineausgabe der Rheinischen Post heute. http://www.rp-online.de/politik/ausland/bankrott-in-washington-1.2612018 ).

Nun, der edle Herr hat ein gutes Gespür dafür, was die Leute hören wollen. Er ist sozusagen ein Chamäleon der Rede. Und in Amerika ist es zur Zeit große Mode, über Europa herzuziehen. Denn wir sind schuld am US-Desaster. Der US-Präsident hat es gesagt, also ist es wahr. Und dieser Geist - die Schuld immer bei anderen suchen, egal wie absurd es klingen mag - ist ja auch KT eigen.

Vernünftige Menschen würden wenigstens etwas Gras über ihre Verfehlungen wachsen lassen. Doch dazu bringt zu Guttenberg nicht die erforderliche Geduld auf. Er muß sofort austesten, wie er denn inzwischen wieder beim deutschen Wähler ankommt: Am 29.11. soll ein Interview-Buch erscheinen, in dem er angeblich die Plagiats-Affäre reflektiert. "Zu Guttenberg spricht über seine Herkunft, seine Familie, über die Zeit als politischer Überflieger im Wirtschafts- sowie im Verteidigungsministerium, über seinen Umgang mit den eigenen Fehlern, über die Zeit nach dem Rücktritt – und über die Voraussetzungen für die Rückkehr eines immer noch enorm populären Politikers." (stern.de)

"The Baron" läßt nichts anbrennen. Dabei ist in D noch nicht einmal das Ermittlungsverfahren gegen ihn abgeschlossen - womöglich wird Anklage erhoben und am Ende könnte der saubere Herr sogar vorbestraft sein. Im übrigen wird gemunkelt, dass Karl-Theodor auf Geheiß des Herrn Papa an einer neuen Doktorarbeit bastelt. Nimmt der Schrecken denn nie ein Ende?


Hier habe ich noch ein paar Beiträge zum Werdegang des "Politstars" herausgepickt:
09.02.2009 Frisch zum Wirtschaftsminister gekürt, nachdem Glos hingeschmissen hatte. stern.de: "Der FDP-Politiker und langjährige Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle, der nach der Bundestagswahl selbst gerne Wirtschaftsminister werden möchte, spottet: >Offenbar genügt es in der Union, dass man lesen und schreiben kann, um Wirtschaftsminister zu werden.<" http://www.stern.de/politik/deutschland/wirtschaftsminister-guttenberg-frisches-blaublut-fuer-berlin-654198.html  

10.02.2009 sueddeutsche.de: "Glos' Nachfolger sollte erstens aus der CSU-Bundestagsfraktion kommen, zweitens dem CSU-Bezirk Oberfranken angehören (weil Landwirtschaftsministerin Aigner aus Oberbayern kommt) und außerdem ein loyaler Seehofer-Mann sein. Innerparteilicher Proporz vor fachlicher Eignung und persönlicher Autorität. Während Barack Obama in Washington die besten Köpfe des Landes um sich versammelt, bekommen wir hier parteipolitisches Klein-Klein serviert." http://www.sueddeutsche.de/politik/neuer-wirtschaftsminister-guttenberg-der-staat-als-beute-der-parteien-1.492394

16.03.2009 welt.de: "Nun ist Guttenberg fast einen Monat Bundeswirtschaftsminister ... Aus Textbausteinen wie „prüfen“, „Geduld“, „sorgfältig“ und „verantwortungsvoll“ windet er immer neue Wortgirlanden, die bedeutsam aussehen, ohne viel zu bedeuten. ... Guttenberg hat das Wesen seiner neuen Tätigkeit blitzschnell verstanden."
http://www.welt.de/wirtschaft/article3387129/Die-Feuertaufe-fuer-Wirtschaftsminister-Guttenberg.html

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